Das Vaginom: Unsichtbare Helferlein bei Kinderwunsch
Unerfüllter Kinderwunsch kann belastend sein: Das monatlich wiederkehrende Hoffen auf den zweiten Strich beim Schwangerschaftstest, Sex nach Plan und die immer lauter werdende Frage: „Stimmt etwas nicht mit mir?“ Da tröstet es wenig, dass man nicht allein ist. Eine repräsentative Umfrage des Bundesfamilienministeriums zeigt, dass mehr als 32 Prozent der kinderlosen Frauen und Männer in Deutschland ungewollt kinderlos sind - Tendenz steigend.1
Manchmal ist Geduld gefragt
Vielleicht ist es ein Trost zu wissen, dass es in manchen Fällen länger dauern kann bis eine Schwangerschaft eintritt. Schätzungen zufolge werden 84% aller Frauen, die regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehr haben, nach einem Jahr schwanger.2 Allerdings hängt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, stark vom Alter der Frau - aber auch des Mannes - ab: Während eine 25-jährige Frau im ersten Versuchszyklus eine 30-prozentige Chance hat, schwanger zu werden, ist die Wahrscheinlichkeit 10 Jahre später nur noch halb so groß.3
Fachgesellschaften empfehlen, eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen, wenn nach einem Jahr keine Schwangerschaft eingetreten ist, ab 35 Jahren bereits nach 6 Monaten.2, 4 Die Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch liegen etwa zu gleichen Teilen beim Mann und bei der Frau, manchmal auch bei beiden Partnern. Auch der Lebensstil kann eine Rolle spielen: Rauchen, Alkohol und Übergewicht sollten vermieden werden – und zwar von beiden Partnern.2
Laktobazillen als Helferlein
Eine Stellschraube, die oft nicht bedacht wird, an der aber leicht zu drehen ist, ist die vaginale mikrobielle Besiedlung. Das Vaginom - zumindest das einer gesunden Frau im gebärfähigen Alter – zeichnet sich durch einen hohen Anteil an Laktobazillen aus.5 Andere Bakterien sollten nur in geringeren Mengen vorhanden sein, manche am besten gar nicht.
Laktobazillen sind optimale kleine Helferlein, um eine vaginale Gesundheit aufrecht zu erhalten. Sie bilden Milchsäure und sorgen so für einen leicht sauren pH-Wert in der Scheide, der vor dem Eindringen von Krankheitserregern schützt. Innerhalb der Gattung der Laktobazillen gibt es verschiedene Arten. Zu den im Vaginom der Frau am häufigsten vorkommenden Arten gehören L. crispatus, L. gasseri, L. iners und L. jensenii. L. iners hat eine geringere Fähigkeit zur Milchsäurebildung als die anderen Arten und wird auch mit weniger gesundheitsfördernden Aspekten in Verbindung gebracht.
Schutz vor Krankheitserregern
Fehlt der Schutzmechanismus der Laktobazillen oder ist er nur vermindert vorhanden, haben Krankheitserreger - z. B. sexuell übertragbare Bakterien – leichteres Spiel. Einige dieser Übeltäter sind zwar frühzeitig erkannt gut behandelbar, können im schlimmsten Fall allerdings zu Unfruchtbarkeit führen. Das bekannteste Beispiel sind Chlamydien – tückisch, weil eine Infektion oft symptomlos verläuft. Weitere Beispiele sind Gonorrhö, Mykoplasmen oder Trichomonaden.
Zeichen der Fruchtbarkeit
Aber nicht nur offensichtliche Krankheitserreger stehen mit der Fruchtbarkeit in Verbindung. Eine Metaanalyse, die die Ergebnisse von 15 Einzelstudien zusammenfasst, zeigt einen Zusammenhang zwischen einer hohen Anzahl von Laktobazillen im Vaginom und einer guten Fruchtbarkeit.6 Allerdings scheinen sich nicht alle Arten von Laktobazillen gleich günstig auf die Fruchtbarkeit auszuwirken: Bei gesunden Frauen, die eine Schwangerschaft planten, war ein Vaginom mit einer hohen Vielfalt an L. gasseri und L. crispatus und einer niedrigen Vielfalt an L. iners mit einem hohen Erfolg verbunden.7
Schutz für das ungeborene Kind
Der Anteil der Milchsäurebakterien in der Vaginalflora wird durch Geschlechtshormone beeinflusst und variiert je nach Lebensphase, wie Kindheit, Pubertät, Erwachsenenalter und Menopause, sowie dem Menstruationszyklus.5 Hohe Östrogenspiegel während der Schwangerschaft fördern das Wachstum von Laktobazillen – biologisch sinnvoll, um mögliche Krankheitserreger für das ungeborene Kind direkt an der Eintrittspforte zu bekämpfen. Immer mehr Forschung deutet darauf hin, dass eine ungünstige Zusammensetzung des vaginalen Mikrobioms ein Risikofaktor für Fehlgeburten sein kann, auch in frühen Stadien.8 Bei Frauen, die sich einer In-Vitro-Fertilisation unterziehen, zeigen Studien einen Zusammenhang zwischen niedrigen Anteilen an Laktobazillen im Vaginom und geringeren Erfolgschancen für eine Einnistung sowie höheren Fehlgeburtsraten. Doch auch im späteren Stadium der Schwangerschaft bleibt das vaginale Mikrobiom wichtig: Studien zeigen, dass ein geringer Anteil an Laktobazillen und eine hohe Vielfalt im vaginalen Mikrobiom mit einem erhöhten Risiko für Frühgeburten in Verbindung steht.9
Die Vaginomanalyse
Die Zusammensetzung Ihres persönlichen vaginalen Mikrobioms können Sie mit einer einfachen Vaginomanalyse bestimmen lassen. Auch wenn Sie sich nicht zu sehr mit der Frage belasten sollten, ob mit Ihnen selbst etwas nicht stimmt: Es kann sich lohnen, abzuklären, ob mit Ihren kleinen Helferlein etwas nicht stimmt.
Referenzen:
- Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2021). Ungewollte Kinderlosigkeit 2020. https://www.bmfsfj.de/resource/blob/161018/b36a36635c77e98bcf7b4089cd1e562e/ungewollte-kinderlosigkeit-2020-data.pdf
- National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health (UK). Fertility: Assessment and Treatment for People with Fertility Problems. London: Royal College of Obstetricians & Gynaecologists; 2013 Feb. (NICE Clinical Guidelines, No. 156.) Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK247932/
- Taylor A. ABC of subfertility: extent of the problem. BMJ. 2003;327(7412):434-436. doi:10.1136/bmj.327.7412.434
- Toth B, Baston-Büst DM, Behre HM, et al. Diagnosis and Therapy Before Assisted Reproductive Treatments. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k Level, AWMF Register Number 015-085, February 2019) – Part 1, Basic Assessment of the Woman. Geburtshilfe Frauenheilkd. 2019;79(12):1278-1292. doi:10.1055/a-1017-3389Moreno I, Simon C. Deciphering the effect of reproductive tract microbiota on human reproduction. Reprod Med Biol. 2019;18(1):40-50. doi:10.1002/rmb2.12249
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- Hong X, Ma J, Yin J, et al. The association between vaginal microbiota and female infertility: a systematic review and meta-analysis. Arch Gynecol Obstet. 2020;302(3):569-578. doi:10.1007/s00404-020-05675-3
- Hong X, Zhao J, Yin J, et al. The association between the pre-pregnancy vaginal microbiome and time-to-pregnancy: a Chinese pregnancy-planning cohort study. BMC Med. 2022;20(1):246. doi:10.1186/s12916-022-02437-7
- Gao X, Louwers YV, Laven JSE, Schoenmakers S. Clinical Relevance of Vaginal and Endometrial Microbiome Investigation in Women with Repeated Implantation Failure and Recurrent Pregnancy Loss. Int J Mol Sci. 2024;25(1):622. doi:10.3390/ijms25010622
- Baud A, Hillion KH, Plainvert C, et al. Microbial diversity in the vaginal microbiota and its link to pregnancy outcomes. Sci Rep. 2023;13(1):9061. doi:10.1038/s41598-023-36126-z